Bericht vom Seminar WIEVIEL MEER GEHT NOCH? (Kiel 06.12. – 08.12.2019)

Was ich nie erwartet hätte: Seegraswiesen fixieren bis zu 50-mal mehr CO2 als tropischer Regenwald.

Voller Hoffnung – aber auch etwas geschockt – gehe ich aus diesem Wochenendseminar.

Auf der einen Seite war es ermutigend am Beispiel des Wattenmeers der Nordsee in Schleswig-Holstein zu sehen, wie sich Ökosysteme wieder erholen können und in einen fast optimalen Zustand zurückfinden können. Gegensätzlich hierzu hat es mich sehr erschreckt, wie der allgemeine Zustand der Ozeane ist und dass kaum Maßnahmen ergriffen werden, um das Gleichgewicht dieser wichtigen Ökosysteme zu erhalten.

Neben der fachlichen Ebene war natürlich das Miteinander auch wichtig an diesem Wochenende. Von Kennenlernspielen und Energizern bis zu Reflexionen und ausgedehnten Diskussionen hat nichts gefehlt! Es war schön auf Menschen zu treffen, die sich für die gleichen Problematiken stark machen wollen!

Die Bedeutung der Seegraswiesen

An diesem Wochenende ging es um das Meer und die Ozeane. Wie lässt sich der Zustand eines Wassers überhaupt feststellen? Was kann sich positiv oder negativ auf ein Ökosystem auswirken? Antworten zu diesen und vielen weiteren Fragen zeigte uns Tobias Dolch vom Alfred-Wegner-Institut (AWI) am Beispiel des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres auf. Das AWI führt hier das Monitoring der Seegraswiesen durch. Die wichtigsten ökologischen Funktionen von Seegraswiesen sind unter anderem: Laichgebiet, Schutz vor Räubern, Nahrungsquelle für Schildkröten und Zugvögel, Kohlenstoffspeicher. Seegras ist von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des Wasserzustands, da es sehr sensibel auf Veränderungen von Umweltbedingungen reagiert. Besonders anfällig ist das Seegras gegenüber Eutrophierung. Eutrophierung ist die Anreicherung von Nährstoffen in einem Ökosystem meist durch Landwirtschaft und Kläranlagen. Warum schaffen wir es in Deutschland nicht ein nachhaltiges Wassermanagement und Maßnahmen gegen die Überdüngung durch die Landwirtschaft zu etablieren? In nährstoffreichem Wasser haben Algen ideale Wachstumsbedingungen. Sie trüben das Wasser und verhindern, dass Licht zum Seegras durchdringt oder sie erdrücken es, je nach Algenart, durch ihr Gewicht. Auch Austrocknung bei Ebbe und die zunehmende Hydrodynamik, also Wasserbewegungen und die dabei wirkenden Kräfte, stellen eine Gefährdung dar. Die Hydrodynamik entsteht durch vermehrte Wetterextreme wie Stürme und durch einen steigenden Wasserspiegel. Austrocknung kann bei Ebbe geschehen – vermehrt in heißen Jahren wie 2018 oder 2019. Durch den Bau von Deichen werden Küstenökosysteme zusammengedrängt, da sie bei Ansteigen des Meeresspiegels nicht mitwandern können. Dies kann auch bei den Seegraswiesen in der Zukunft zu verstärktem Rückgang der Vorkommen führen.

Die Entwicklung dieser Schleswig-Holsteinischen Seegraswiesen macht mir Hoffnung. Die Bestände haben sich in den letzten Jahren stark erholt, unter anderem durch die Senkung der Nährstoffbelastung in den Flüssen Elbe, Weser, Emse und Eider. Die Bestände sind an fast allen möglichen Standorten wieder angesiedelt – aber nur durch den stetigen Abwärtstrend der Nährstoffeinträge. Dies ist ein Beispiel für das Erholen eines Ökosystems – zu schade, dass dies eine Ausnahme ist. Weltweit gesehen gehen die Bestände der Seegraswiesen stark zurück. 

Alarmierendes aus dem World Ocean Review

Ulrike Kronfeld-Goharani arbeitet am World Ocean Review mit und referierte zu den aktuellen Gefährdungen der Ozeane.

Wo kommt das ganze Plastik, das inzwischen auf der ganzen Welt verteilt ist, her? Die Verpackungen sind nur ein Teil davon. Vor allem Mikroplastik kommt aus Quellen, an die ich vorher noch nie gedacht hatte. Reifenabrieb macht den größten Anteil aus, dann kommen Abfallentsorgung, Baustellen, Schuhsohlen, Textilwäsche oder Kosmetik. Das sogenannte Makroplastik, also zum Beispiel Plastiktüten, machen nur 26% der Plastik-Emissionen in die Umwelt in Deutschland aus. Die restlichen 74% gelangen in Form von winzigen Plastikteilchen (Durchmesser <5mm und kleiner) in die Umwelt. Pro Kopf gerechnet sind es in Deutschland 4 kg Mikroplastik pro Jahr, die in die Natur gelangen. Durch Kunststoff verenden jährlich circa eine Million Vögel, da sie Plastik mit Nahrung verwechseln. Die Mengen an Plastik in der Umwelt übersteigen um ein Vielfaches meine Vorstellungskraft…

Der Bedarf an Fisch steigt stetig, immer größere Fangflotten durchkämmen die Meere. Die Folge: 90% der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände sind überfischt oder werden bis an ihre biologischen Grenzen befischt. Bezogen auf die Meere Europas ist es in den letzten Jahren immerhin zu einer Verbesserung der Situation gekommen. 2009 waren circa 90% der Flächen überfischt – heute sind es noch 50%. Hoffentlich setzt sich diese Entwicklung fort bis es keine Überfischung mehr gibt.

So viele Herausforderungen – was nun?

Nun habe ich einige wenige Herausforderungen angesprochen, jetzt ist es an der Zeit von den Lösungsansätzen, die Josie Gottschalk zusammengestellt hat, zu berichten. Zur Diskussion standen Geoengineering, Restoration: Aufforsten von beispielsweise Korallenriffen, Küstenschutz durch Mangroven, Kohlenstofffixierung durch Mangroven oder Seegras und Marine Raumplanung (MSP).

Geoengineering bezeichnet Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde. Es handelt sich hier um artifizielle und erzwungene Lösungen – obwohl es häufig auch viel einfacher und auf natürliche Weise geht. Ein Beispiel für Geoengineering wäre der Einsatz von Kalk als Lösungsansatz gegen die Ozeanversauerung. Es müssten enorme Mengen an Kalk unter hohem Energieaufwand abgebaut werden und weltweit in die Ozeane verteilt werden. Die genauen Folgen oder Ergebnisse lassen sich aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge in der Natur erst im Nachhinein feststellen. Grundsätzlich sollten wir uns erst einmal fragen, was wir vertreten und unterstützen möchten – und vor allem auch was nicht.  Wollen wir ein großflächiges Eingreifen in Ökosysteme, ohne die Wirkungen im Voraus abschätzen zu können? Oder wollen wir mit den Lösungen arbeiten, die schon in der Natur vorhanden sind und die Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme unterstützen und für uns nutzen?

Hier einige Beispiele für natürliche Lösungen: Das Potenzial von Seegras enorme Mengen an CO2 zu fixieren müsste Teil des Klimaschutzes werden. Das Besondere am Seegras, übrigens auch an den Mangroven, ist, dass der Kohlenstoff, der durch die Pflanze in die Sedimente eingelagert wird und dort langfristig, aufgrund von einer anaeroben Umgebung, fixiert ist. Diese Beispiele zeigen auf welche Rolle die Natur in der Klimaregulation haben kann. Nun ist es so, dass Seegraswiesen sehr empfindlich auf Nährstoffeinträge (Eutrophierung) ins Wasser reagieren. Hiermit wird deutlich, dass auch Wasserschutz zum Klimaschutz beiträgt.

Eine Idee zur Marinen Raumplanung hat Josefine Gottschalk mit einer Arbeitsgruppe entwickelt. Die Vision bezieht sich auf die Ostsee und die angrenzenden Länder. Das Ziel ist es, ein Konzept zu entwickeln mit dem unter anderem die Wasserqualität und die Fischbestände verbessert, beziehungsweise geschont, werden können. Die Vision ist es, alle an die Ostsee angrenzenden Länder in eine gemeinsame Richtlinienfindung zu involvieren. Es soll ein Umdenken angestoßen, dass das Meer zwischen den 9 Ländern, das ja bisher in Wirtschaftszonen der einzelnen Länder aufgeteilt ist, als Gemeingut angesehen wird. Eine Art Ministerium oder Planungsbehörde mit Delegierten aus allen angrenzenden Ländern soll die Ostsee als eine Einheit verwalten und so beispielsweise Eutrophierung oder Überfischung vorbeugen. Wie kann man dieses Projekt angehen? Welches ist der beste Weg diese Idee in die Tat umzusetzen? Wir haben intensiv zu diesem Thema diskutiert und unser Konsens der Diskussion war, dass derartige Veränderung in der Denkweise von unten durch die Gesellschaft kommen müsste. Durch Öffentlichkeitsarbeit soll diese Vision an möglichst viele Menschen herangetragen werden. Nicht das Vereinen der derzeit territorial verwalteten Meereszonen, sondern die Verbesserung des Gemeingutes – die Gesundheit des Ökosystems Ostsee –, muss im Vordergrund stehen. Die Verbesserung des Umweltzustandes der Ostsee hat vor allem für den Menschen einen Mehrwert, weil die Umwelt sogenannte „Ökosystemleistungen“ für den Menschen bringt. Ökosysteme haben wichtige Funktionen, sie versorgen uns Menschen mit Nahrung wie zum Beispiel Fisch oder mit Sauerstoff zum Atmen. Auch bei der Klimaregulation spielen sie eine wichtige Rolle. Ökosysteme müssen gut geschützt werden, denn sie bilden unsere Lebensgrundlage!

Wer lebt eigentlich in der Ostsee? Meeresbiologische Station in Laboe

Zum Abschluss haben wir noch die Meeresbiologische Station in Laboe besucht. Hier erzählte uns eine Biologiestudentin einiges über die Meeresbewohner der Ostsee und auch über die Lebensbedingungen in diesem Brackgewässer. Meines Erachtens nach hätten die Meerestiere, vom Seestern, über den Hummer bis zum Zwergwal, ruhig mehr Platz haben dürfen. Trotzdem finde ich, dass solche Orte gut geeignet sind, um den Menschen die Meeresbewohner und ihre Bedeutung für uns näher zu bringen. Umweltschutz funktioniert am besten, wenn den Menschen etwas an der Natur liegt. Genau dafür müssen sie die Natur aber erst einmal kennenlernen. 

Danke an den AK Klima und Energie und an die BUNDjugend Kiel für die Organisation dieses Wochenendes. Es war top durchorganisiert und uns hat es an nichts gefehlt!

Autor: Tobias Eisert

1 Kommentare

  1. Ich habe tatsächlich gerade das erste Mal von dem Thema gehört und recherchiere gerade dazu.

    Für mich als Laien sieht es so aus, als wäre das ein wichtiger Ansatzpunkt um etwas für das Klima zu tun. Themen wie CO2-Einsparung und Aufforstung kommen immer stärker in die allgemeine Wahrnehmung der Leute.

    Die “Aufforstung” scheint mir da sehr unterschätzt und umso unterstützenswerter!

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