Weniger Flüge – mehr Gerechtigkeit. Eine Einführung zu: Wer fliegt, wer kann nicht fliegen und warum?

Sonne, Meer und Strand – das haben wir uns nach dieser anstrengenden Pandemie-Zeit wirklich verdient. Deswegen gleich mal im Internet nach Flüge suchen… was?! Für nur 50€ auf die Kanaren?! Und mal übers Wochenende nach Paris für nur 30€ ..?! Das ist ja ein Schnäppchen… da muss ich sofort schon mal Tickets kaufen…

Die eigene Verantwortung

Na, kommt dir das bekannt vor? Hattest du in letzter Zeit vielleicht mal ähnliche Gedanken?

Jede*r Deutsche fliegt im Durchschnitt im Jahr 6,5 Mal, weit mehr als die Hälfte der innerdeutschen Flüge sind aus Geschäftsgründen. Vielen ist klar wie klimaschädlich fliegen ist und trotzdem möchten die meisten nicht auf ihre Urlaubsreisen, Wochenendtrips und Geschäftsreisen verzichten.

Wieso sollte ich überhaupt darauf verzichten, wenn ich mir nur ein-, zweimal im Jahr einen entspannten Urlaub am Strand gönne? Das machen alle anderen doch auch und sowieso, ich tue schon etwas für das Klima, immerhin trinke ich Hafermilch und kaufe keine Plastiktüten mehr.

Einsparungen in unserem Konsumverhalten, wie der Kauf von veganen Lebensmitteln und Second-Hand-Kleidung, sind notwendige Beiträge zum Klimaschutz. Doch setzen wir diese Einsparungen einmal in den Kontext zum Fliegen, fällt auf, welche riesigen Einsparungen wir mit dem Verzicht auf Fliegen machen können. Dazu ein Beispiel: Wenn du ein Jahr lang nur Second-Hand Kleidung kaufst, sparst du 300kg CO2 ein, wenn du ein Jahr lang vegan lebst, sind es schon 850kg. Auf einen Hin- und Rückflug von Berlin nach Rom (=2.400km) zu verzichten, spart allein 700 kg CO2 und ein Hin- und Rückflug von Madrid nach Rio de Janeiro (=19.000km) bringt sogar 5.100kg CO2-Einsparung.

Du hast keine Ahnung, was es mit solchen Zahlen auf sich hat? Zum Vergleich: Das klimaverträgliche Jahresbudget für jeden Menschen liegt bei 2.500kg CO2, der durchschnittliche Jahresverbrauch in Deutschland beträgt hingegen 7.500kg pro Kopf, in Uganda 1.100kg und in Indien 2.600kg CO2.


Alle Zahlen sind Näherungswerte. Klar ist jedoch, dass Fliegen einen erheblichen Einfluss auf unseren „ökologischen Fußabdruck“ hat.

Ich selbst hatte das Privileg, dass ich in meinem jungen Leben schon sehr viel fliegen konnte. Zugegeben: Ich wusste nicht, welche Auswirkungen und welche Ungerechtigkeiten dadurch entstehen, wenn ich mal für zwei Wochen nach Portugal fliege. Ja, dass das Fliegen für die Umwelt nicht so toll ist, wusste ich dann zwar irgendwann schon, aber erst nachdem ich mich eingehend mit dem Thema beschäftigen habe, fing ich an zu verstehen, welche Ungerechtigkeiten beim Fliegen wirklich vorliegen und wie wenig über Flugverkehr auch im Kontext der Mobilitätswende gesprochen wird.

Fliegen als Normalität – aber für wen?

Fliegen: Für Menschen, die in Europa und Deutschland aufgewachsen sind, eine Normalität. Aber eigentlich gehören wir damit nur zu einem kleinen, sehr privilegierten Teil. Denn es sind die wenigen reichen Vielflieger*innen, die mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen des gesamten Luftverkehrs verursachen, während mehr als 80% der Weltbevölkerung noch nie ein Flugzeug von innen gesehen hat.

Wer fliegt nicht?

Denn viele Menschen, vor allem aus Ländern des globalen Südens, können sich das Fliegen überhaupt nicht leisten oder dürfen aufgrund von restriktiver Migrationspolitik gar nicht überall hin. Allein welche Staatsangehörigkeit du hast, entscheidet, wo du ohne Visum einreisen darfst. Wir, mit deutscher Staatsangehörigkeit, können in 189 Länder (weltweit haben wir 194 Länder) einreisen, Menschen mit somalischer oder afghanische Staatsangehörigkeit hingegen dürfen ohne Visum nur in 32 bzw. 26 Staaten. So viel zum Thema Mobilität für alle.

Schon erschreckend, dass einige Wenige durch ihre Fortbewegung das Klima immer weiter anheizen. Und unter dem Klimawandel leiden dann vor allem die, die nicht fliegen können.  

Warum können wir so billig fliegen?

Fliegen ist das klimaschädlichste Fortbewegungsmittel. Der Flugverkehr emittiert nicht nur große Mengen an CO2-Emissionen, er verursacht auch andere schädliche Klimawirkungen wie Kondensstreifen, Zirrusbewölkung, Stickoxide und Wasserdampf. Deswegen ist die Gesamtklimawirkung des Fliegens durchschnittlich dreimal höher als die des CO2-Ausstoßes allein.

Trotzdem ist im Luftverkehr kein Rückgang zu erkennen. Im Gegenteil: Gerade durch die Pandemie wird in den nächsten Jahren mit steigendem Wachstum im Luftverkehr gerechnet. Das Wachstum der letzten Jahrzehnte wird durch die staatlichen Subventionen des Luftverkehrssektors ermöglicht. Kerosin, Energie und internationale Flüge sind von der Mehrwertsteuer befreit (die Bahn zahlt im Übrigen 19% Mehrwertsteuer auf internationale Tickets). Ungerechtigkeit herrscht auch bei der Steuer auf den Flugzeugtreibstoff, wenn wir diese mal im Vergleich zu Benzin und Diesel betrachten.




Obwohl fliegen, dass klimaschädlichste Transportmittel ist, wird Kerosin fast nirgendwo auf der Welt besteuert. Hier ist ein Vergleich von Steuern in 44 OECD- und ausgewählten Partnerländern: eine Summe von Treibstoffverbrauchssteuern.

Wieso nutzen wir keine Alternativen wie den Schienenverkehr?

Eine ebenso erschreckende Erkenntnis ist, dass seit 1950 die Schienen nicht mehr ausgebaut wurden. Im Gegenteil: Sie wurden abgebaut. Während Deutschland im Jahr 1950 ein Schienennetz von 52.500 km hatte, waren es letztes Jahr nur noch 38.400 km. Ein klimafreundlicheres Verkehrsmittel wie der Zug wurde also rückgebaut, während Flüge und Flughäfen weiter ausgebaut werden und wachsen. Würde man die Mehrwertsteuer für Flugtickets, Grundsteuern für die Flughäfen und den Flugzeugtreibstoff Kerosin wie Benzin oder Diesel sinngemäß besteuern, hätte die EU Milliarden an Euro eingenommen, die sie in die Entwicklung und den Ausbau von klimafreundlicheren Alternativen zum Fliegen stecken könnte.

Seit Längerem wird auch der Ruf nach einem Kurzstreckenflugverbot laut, da gerade Kurzstreckenflüge (also solche Flüge, die unter 600 km liegen) schnell und ohne große Umstände und vor allem ohne Einsparungen in Zeit und Effizienz auf die Schiene verlagert werden könnten. Wichtig dafür ist, dass der Schienenverkehr pünktlicher und zuverlässiger wird, gute Anbindungen zu kleineren Städten und ländlicheren Regionen ausgebaut werden und vor allem faire und bezahlbare Preise von der Politik endlich in den Blick genommen werden.  

Welche politischen und wirtschaftlichen Umstellungen brauchen wir, um eine gerechte Mobilitätswende zu ermöglichen?

Viele politische Entscheidungen und Änderungen werden benötigt, um dem Wachstum des Luftverkehrs und den ansteigenden Emissionen entgegenzuwirken. Ein Forderungspapier des BUND beschreibt unter anderem folgende Punkte – die eigentlich ziemlich realpolitisch sind:

  • Abbau der staatlichen Subventionen für Luftverkehr
  • Weiterentwicklung der in 2011 beschlossenen Luftverkehrssteuer
  • Mehrwertsteuer für internationale Tickets einführen
  • Verbesserung des Europäischen Emissionshandels
  • Einführung einer EU-weiten Kerosin-und CO2-Steuer
  • Verlagerung auf die Schiene

Während meiner Recherche habe ich für mich als Wichtigstes erkannt und verstanden, dass der Luftverkehr nicht nur innerhalb von Deutschland, sondern gerade global gesehen ein Haupthindernis für Klimagerechtigkeit darstellt.

Die Wenigen, die historisch und heutzutage für die Hauptlast der Emissionen verantwortlich sind, gehören nicht nur zu den Ländern des globalen Nordens, sondern stellen vor allem nur einen geringen Teil der Weltbevölkerung dar. Darunter leiden jedoch genau die Menschen, die für den geringsten CO2 Austausch verantwortlich sind: Die Menschen in den Ländern des globalen Südens.

Und wenn wir dann darüber nachdenken, aus welchen Gründen wir fliegen, erscheint die Ungerechtigkeit noch größer. Denn schließlich sind die wenigsten Flüge für uns lebensnotwendig …nein, unsere Flüge sind Urlaubsreisen auf die Seychellen, Geschäftsreisen nach San Francisco, Wochenendtrips nach London und so weiter…jeder einzelne kann sich also die Frage stellen, welche Flüge wirklich notwendig sind und ob es nicht mögliche Alternativen zum Reiseziel, Reiseweg oder persönlichem Geschäftstreffen gibt.

Ihr habt Lust, darüber mal in eurer Familie oder Freundesgruppe zu diskutieren? Dann checkt mal das Bullshitflüge-Quartett von StayGrounded aus.

Aber es geht eben nicht darum, die Verantwortung wieder jeder*m Einzelnen zu geben. Denn es ist auch klar, dass gerade einige wenige Vielflieger*innen einen großen (Negativ-)Beitrag zum Klimawandel leisten. Deshalb müssen wir uns auch über Maßnahmen wie) ein Kurzstreckenflugverbot (als erster Schritt) und eine Vielflieger*innen-Abgabe austauschen und in Betracht ziehen. Denn klar ist: Wenn wir einen lebenswerten Planeten für unsere zukünftigen Generationen sichern, den Klimaschutz fördern und eine gerechte Mobilitätswende schaffen möchten, müssen wir unser eigenes Verhalten und unsere eigenen Privilegien erkennen und überdenken. Gleichzeitig müssen nachhaltige politische Entscheidungen getroffen werden, um Klimaschutz und Klimagerechtigkeit zu ermöglichen.

Ein Blogbeitrag von Malena Fröhlich

In diesem Instagram Beitrag sind einige Informationen zusammengefasst und mit weiteren Diagrammen veranschaulicht. Schaut gerne vorbei.

Noch mehr Information findet ihr unter diesen Quellen:

Informiere Dich – Stay Grounded (stay-grounded.org)

Luftverkehr: Klimaschädlich und hoch subventioniert – BUND e.V.

Züge statt Flüge | Hilf mit, Kurzstreckenflüge zu stoppen (zuege-statt-fluege.org)

2019-09-11-Klimaforderungen_Umweltverbaende_Flugverkehr.pdf (bund.net)

Bullshitflüge – Das Spiel – Am Boden bleiben

Luftverkehr muss endlich in Einklang mit Klimaschutzzielen gebracht werden | Deutscher Naturschutzring (dnr.de)

Klimawirkung des Flugverkehrs – atmosfair

Beitragsbild unsplash Kevin Hackert

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