Plastik? – Nein danke!

Eine Tüte oder geht es so? Bei dieser Frage sträuben sich der 22-jährigen Potsdamer Studentin Antonia die Haare.  Seit einem Jahr führt sie einen nahezu plastikfreien Alltag. Die ursprünglich auf die Fastenzeit begrenzte Idee ist heute Teil ihres Lebens geworden. Die Studentin erinnert sich noch gut  an die Anfänge: „Ich fand die Idee auf etwas in der Fastenzeit zu verzichten schon immer reizvoll. Früher habe ich auf Süßigkeiten oder Fleischprodukte    gefastet. Im letzten Jahr war es mir dann wichtig durch meinen Verzicht mehr zu bewirken als mein eigenes Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen.“

Plastik ist biologisch nicht abbaubar. Durch den Verzehr von Nahrungsmitteln (z.B. Fisch) und Kosmetika (z.B. Shampoo), welche kleine Plastikteile – sogenanntes Mikroplastik – enthalten, nehmen wir selbst den Kunststoff zu uns und schädigen damit auf Dauer unserer Gesundheit. Die Folgen reichen von Allergien bis hin zu Herzerkrankungen oder Krebs. Darüber hinaus wird durch Plastikmüll das ökologische Gleichgewicht gestört. Es sterben jährlich etwa 1.000.000 Seevögel an dem Verzehr von Plastikteilen, dessen Geruch bei den Tieren als Essen eingeordnet wird.

Den Impuls zum ‚Plastikfasten’ lieferte bei Antonia ein Heimatbesuch im Rheinland zum Karneval. Bei den Straßenumzügen fiel ihr zum ersten Mal bewusst auf, wie viel Plastikmüll durch die von ihr früher selbst fleißig gesammelten Süßigkeiten – im Rheinland als „Kamelle“ bezeichnet– entsteht. „Anfangs wurde ich für meinen Plan von meinen Freunden noch sehr belächelt, doch das hat mich noch mehr angespornt, es tatsächlich durchzuziehen.“

Gesagt, getan! Antonia fing an bis Ostern Plastikprodukte völlig aus ihrem Leben zu verbannen. Doch das Ziel stellte sich vor allem die ersten Tage schwieriger dar als anfangs gedacht. „Als mir bewusst wurde mit wie vielen Plastikprodukten wir täglich in Kontakt kommen, wollte ich schon aufgeben“, gesteht sie ehrlich. Doch zum Glück konnte sie ihre Schwester motivieren es wenigstens eine Woche durchzuziehen. Und aus dieser Probezeit wurde schnell eine neue Lebensphilosophie.

Ob morgens im Badezimmer beim Duschen und Schminken, auf dem Weg zur Uni mit einem Kaffee to-Go in der Hand oder bei einem Griff in den Kühlschrank, wir produzieren täglich einen Haufen Plastikmüll. In Deutschland produziert jeder        

Einwohner durchschnittlich 37, 4 Kilo pro Jahr – das ist Platz drei im EU-­‐Ranking. Mit unserem weltweit bisher produzierten Müll könnte die Erde sechsmal eingewickelt werden. Ein Grund aufzuwachen findet Antonia. Doch wie lebt sich nun ein Alltag ohne Plastik?    

Antonia berichtet, dass die eins geübten und unbewussten Handgriffe im Supermarkt schnell passé waren und sie gelernt habe, mit einem anderen Blick durch die Gänge zu gehen. Während Gemüse sich noch unverpackt auswählen und mitnehmen ließe, sehe es bei anderen Produkten deutlich schwieriger aus. Abgepackte eingeschweißte Ware, sowie Fast Food fielen nun aus ihrem Speiseplan raus, sodass sie sich ab jetzt täglich an den   Herd stellen musste.  Antonia ging sogar so weit, dass sie während der Fastenzeit ihr Deo mit einem im Internet entdeckten Rezept selbst herstellte. „Das habe ich mittlerweile   jedoch aufgehört, da es einfach zu viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt“, gesteht sie.        

Eine große Hilfe beim Einkaufen waren ihr vor allem am Anfang verpackungsfreie Läden.          Solche Geschäfte verzichten vollkommen auf Plastik und sind mittlerweile in allen größeren Städten anzutreffen. Ein Besuch in „Tante OLGAS“s Laden in Köln hat den Eindruck bestätigt. Hier wird nicht nur durch den Geschäftsnamen die Assoziation zu den kaum noch    aufzufindenden Tante-Emma-Läden geweckt. Die Inhaberin Olga führt ihr Geschäft unter dem Motto „Zero Waste“. Und Müll ist hier wirklich ‘nicht zu finden!                       

An den Wänden hängen große Spender – sogenannte „Burk Bins“ – durch die sich Kunden ihre Ware selbst in mitgebrachte oder zu erwerbende Behälter – selbstverständlich plastikfrei – portionieren können.            

Die hier angetroffene Kölner Studentin Helen kauft regelmäßig in verpackungsfreien Läden.         Sie ist Veganerin und liebt neue Herausforderungen. „Ich sehe das Plastikfasten als eine persönliche Challenge an. Anfangs habe ich auf Plastiktüten verzichtet, doch daraus wurde mit der Zeit immer mehr.“ Als Schade empfindet es Helen, dass verpackungsfreie Läden preislich noch teurer sind als Supermarktketten. „Dies erlaubt es mir mit meinem Studentenbudget leider nicht alles in verpackungsfreien Läden zu kaufen.“                         

Doch auf Plastikprodukte zu verzichten muss nicht immer teuer sein. Seit 2012 gibt es die Foodsharing-Initiative, die sich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einsetzt und seit ihrer Gründung bereits tausende Tonnen Essen gerettet hat. Auf der Website der Initiative findet sich unter der Kategorie „Essenskörbe“ eine Plattform, auf der zwischen  privaten Haushalten Essensüberschüsse ausgetauscht werden können. Helen berichtet, dass ihr Nachbar oft Brot abzugeben hat und sie dieses dann frei ausgelegt im Hausflur mitnehmen kann.     

Übereinstimmend lassen sich Antonias und Helens Erfahrungen entnehmen, dass sie heute ein bewusst gesünderes Leben führen. Ein vollständiger Verzicht auf Plastik lässt sich zwar auf Dauer nicht vereinbaren, doch gehen beide eindrucksvoll voran, um ein Zeichen zu setzten.    

Eine Reportage von Stephanie.  

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