Olaf – Nimm die Bons zurück!

Blogbeitrag von Kira (BUNDjugend-Niedersachsen)


“Möchten Sie einen Kassenbon mitnehmen?” – gehört nun der Vergangenheit an,

In Italien und Österreich bereits gängig, ist nun auch in Deutschland eingeführt worden: Die Kassenbon-Pflicht, oder im Fachjargon auch ‚Belegausgabepflicht‘. Seit Jahresbeginn 2020 muss jede Kasse unabhängig von der Branche nach § 146a Abs. 2 der Abgabenordnung für jeden ‚Geschäftsvorfall’ einen Kassenbeleg ausdrucken. Und zwar uneingeschränkt davon, ob Kund*innen den Beleg tatsächlich ausgestellt haben möchten. Ausgenommen seien lediglich Kleinunternehmer*innen, welche eine offene Ladekasse verwenden (Köstler 2020).

Zeitgleich hat Frankreich beschlossen, sich von Kassenzetteln zu verabschieden. So soll ab September 2020 kein Bon mehr bei Einkaufswerten bis 10 € und ab 2022 keine Bons mehr unter einem Einkaufswert von 30 € ausgedruckt werden.

Warum wurde das Gesetz eingeführt?

In den letzten Jahren war es möglich, elektronische Kassen zu umgehen, indem Bargeld an der Kasse vorbei vereinnahmt wurde. Wer nachweislich weniger Einnahmen hat, muss dann weniger Steuern zahlen. Das ist dann Steuerhinterziehung. Jedes Jahr soll dadurch ein Schaden von mehreren Milliarden Euro die Folge gewesen sein. Finanzminister Olaf Scholz möchte mit der Kassenbon-Pflicht mit dem neuen System gegen Steuerbetrug vorgehen. Denn einmal ausgestellte Kassenzettel seien schwieriger aus dem Speicher der Kasse zu entfernen, wodurch wiederum Steuerbetrug erschwert wird (Köstler 2020). Neben der Änderung des Kassensystems ist nun ebenso „mit verstärkten Kontrollen von besonders geschultem Personal der Finanzämter zu rechnen (Köstler 2020).

Warum ist das problematisch?

Voraussichtlich werden pro Jahr ca. 2 Mio. km mehr Kassenbons in Deutschland dazu kommen. Läge man das Thermopapier aus, reiche es ca. 532 Mal um die deutsche Landesgrenze (Tagesspiegel 2019). Forscher*innen gehen von einem Müllzuwachs von 5,7 Mio. kg durch das zusätzliche Kassenpapier aus (Hielscher 2019). Neben der immensen Müllmasse als ökologisches Problem, welche meist noch vor Ort im Papierkorb landet, sprechen auch ökonomische und gesundheitliche Aspekte gegen die neue Verordnung (Köstler 2020).

Durch die Kassenbon-Pflicht werden Unternehmer*innengezwungen, mehr Geld in Kasserollen zu investieren. Kund*innen befürchten, dass Unternehmer*innen die Mehrkosten für das Thermopapier über Preissteigerungen an sie weiterbelasten, obwohl die wenigstens Privatkunden Kassenzettel benötigen oder aufbewahren.

Darüber hinaus stellt das Material an sich einen gesundheitsgefährdenden Aspekt dar. Thermopapiere sind „spezielle Papiere, die nicht mit Farbe bedruckt, sondern durch Hitze verfärbt werden. Der Farbstoff des Papiers wird dabei chemisch entwickelt, ähnlich wie bei einem Foto. Als Entwicklungssubstanz diente bis Anfang 2020 häufig eine Beschichtung mit Bisphenol A (BPA), obwohl längst bekannt war, dass es sich um einen problematischen Stoff handelt, der die Gesundheit von Menschen gefährdet, die mit diesem Papier in Kontakt kommen“ (Winterer 2020).

Insbesondere Kassenpersonal, aber auch die Endkund*innen wurden unnötigerweise damit belastet. Seit dem 02.01.2020 dürfen Thermopapiere, „die 0,02 Gewichtsprozent oder mehr BPA enthalten innerhalb der EU nicht mehr in Verkehr gebracht“ (Uba 2020). Laut Europäischer Chemikalienagentur ECHA steigen Anbieter*innen „oft einfach auf den Ersatzstoff Bisphenol S (BPS) um“ (Winterer 2020). Jedoch scheinen die neuen Thermopapiere hormonähnliche Wirkungen zu haben.

Was Unternehmer*innen tun können

Unternehmer*innen mit einem elektronischen Kassensystem und Laufkundschaft könnten nach § 146a Abs. 2 Satz 1 AO einen Antrag auf Befreiung von der Belegausgabepflicht stellen. Lehnt das Finanzamt diesen Antrag ab, könne dagegen Einspruch einlegt werden. Eine Flut an Anträgen und Einsprüchen könnte zu einem Umdenken in der Finanzverwaltung und zu Erleichterungen führen (Köstler 2020).

Was wir fordern

Neue, moderne Kasssensysteme sollten Geschäftsvorfälle auch ohne Ausdrucke lückenlos speichern können. Das aktuelle System widerspricht allen Nachhaltigkeitsdimensionen und ist nicht zukunftsfähig. Frankreich hat es auch geschafft. Wieso wir nicht auch? Lasst uns das Gesetz schnell wieder abschaffen!


Quellen

Hielscher, H. (2019): „PRO STUNDE EINE FICHTE“ Forscher rechnen bei Bon-Pflicht mit 5,7 Millionen Kilogramm zusätzlichem Kassenpapier.  <https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/pro-stunde-eine-fichte-forscher-rechnen-bei-bon-pflicht-mit-5-7-millionen-kilogramm-zusaetzlichem-kassenpapier/25306602.html> (Zugriff: 21.03.2020).

Köstler, B. (2020): Kassenbon-Pflicht: Das müssen Unternehmer wissen. <https://www.lexware.de/artikel/kassenbon-pflicht/> (Zugriff: 12.03.2020).

Tagesspiegel (2019): Neue Verordnung. In Deutschland müssen bald zwei Millionen Kilometer mehr Kassen-Bons gedruckt werden. <https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-verordnung-in-deutschland-muessen-bald-zwei-millionen-kilometer-mehr-kassen-bons-gedruckt-werden/25219130.html> (Zugriff: 21.03.2020).

Uba = Umweltbundesamt (2020): Fragen und Antworten zur Bonpflicht. <https://www.umweltbundesamt.de/themen/fragen-antworten-zur-bonpflicht> (Zugriff: 17.03.2020).

Winterer, A. (2020): Thermopapiere entsorgen: Sind Kassenbons und Kassenzettel jetzt Altpapier – oder Sondermüll? <https://utopia.de/ratgeber/thermopapier-entsorgen-kassenbons-kassenzettel-altpapier-sondermuell/> (Zugriff: 17.03.2020).


Photo by Michael Walter on Unsplash

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