Eine Woche ohne Palmöl?

Als ich der BUNDjugend am Berliner Infostand zum Umwelttag zusagte, eine Woche vegan und palmölfrei zu leben, bekam ich zur Antwort „Das ist aber schon eine ganz schöne Herausforderung…“ – „Na mal sehen“, dachte ich. Also los.

Tag 1:

Wieder daheim blicke ich zuerst in meinen Kühlschrank. Dort liegt an Essbaren: Margarine, Soja-Joghurt, vegane Aufstriche von Tartex, Alnatura und Co, diverse selbstgemachte Marmeladen, ein bisschen grünes und rotes Gemüse und ein veganes Wurstimitat namens „Chorizo“. Vegan ist alles. Erste Hürde stellt also gar kein Problem dar, weil ich mich ohnehin nur von nicht-tierischen Produkten ernähre.
Aber palmölfrei? Gleich beim ersten Produkt, meiner Alsan-Bio-Margarine, steht auf der Zusammensetzungsliste „Palmfett“. Auch im Tartex könnte sich Palmöl verstecken. Genau weiß ich das allerdings nicht, denn es steht nur „ungehärtetes pflanzliches Fett“ drauf. Bei meiner Alnatura-Variante kann ich aufatmen – da ist bloß Sonnenblumenöl drin. Alle anderen Dinge in meinem Kühlschrank sind glücklicherweise frei vom Palmöl oder Palmfett. Ist auch nicht so schwer, weil die meisten anderen Sachen keine Fette oder Öle enthalten.

Im Biomarkt meines Vertrauens will ich mir noch am selben Tag eine neue Margarine kaufen. Dort gibt es aber nur zwei vegane Varianten, und die sind beide mit Palmzusatz. An der Theke frage ich, ob sie auch palmfreie Margarinen haben. Der Kollege schaut extra für mich im PC nach und schüttelt dann den Kopf. Alle Sorten die dort vorrätig sind, haben auch Palmzusatz.

Tag 2:

Ich habe meine Brote ohne Margarine gegessen, fand das aber ganz schön trocken. Zufällig bin ich heute mit Freunden im Rewe einkaufen. Ich nutze die Chance, dort gleich mal durch die Kühlabteilung zu stöbern und drehe sämtliche Margarinendosen um. Auf manchen steht „Palmöl“ auf anderen „Pflanzenöl“. Da ich weiß, dass auch Palmöl im Wort „Pflanzenöl“ stecken kann, bleibe ich skeptisch und kaufe lieber nichts. Eine Freundin zeigt mir schließlich eine Sojola-Margarine, auf der zwar auch pflanzliche Öle benannt sind – aber die werden anschließend in Klammern näher definiert: „davon Sojaöl 60%, Sonnenblumenöl, Sonnenblumenöl ganz gehärtet, Kokosöl in veränderlichen Gewichtsanteilen“. Scheint also in der Tat palmölfrei zu sein und wird gekauft. Zum Glück. Dann ist mein nächstes Brot wieder cremig 🙂

Tag 3:

Bislang habe ich ja im Grunde nur meine Frühstücks- und Abendbrotzeit auf Palmöl untersucht. Mittags kann ich dagegen selten sagen, was in meinem Essen steckt. Es sei denn ich koche selbst und verwende meine Bratölvorräte zur Zubereitung. Da ich aber mittags meist außerhalb essen gehe, kann ich mir nicht sicher sein, ob beim Braten vielleicht ein palmölhaltiges Produkt zum Tragen kommt 🙁

Aber Palmöl steckt nicht nur im Essen, sondern auch in vielen Pflegeprodukten. Deswegen schaue ich heute mal auf die Rückseiten meiner Körperpflegeprodukte. Wieder scheitert gleich das erste meiner Produkte – mein Duschbad – am Palmöl-Test. Zumindest steht dort ein komplizierter englischer Begriff namens „PEG-200 Hydrogenated Glyceryl Palmate“. In einem Internet-Forum zu chemischen Inhaltsstoffen erfahre ich, dass es sich dabei um ein nichtionisches Tensid handelt. Keine Ahnung was das heißen soll. Ich lerne, dass das sogenannte Rückfetter sind. Aha.

Ich überprüfe zur Sicherheit meine Handseife von Weleda, weil ich mir dachte, dass ich mich ja auch alternativ einfach mit der waschen könnte. Aber auch da erlebe ich eine Überraschung. Gleich an erster Stelle steht „Grundseife aus Palmöl und Kokosöl“. Krass, selbst in Naturkosmetik scheint Palmöl kein Thema zu sein. Es scheint, als müsste ich mal wieder nach neuen Produkten stöbern. Aber wo?

Tag 4:

Heute betreibe ich intensive Internet-Recherche zu Palmöl in Produkten und stoße auf eine Liste von GreenAction. Sie haben eine pdf zum Runterladen ins Netz gestellt. Dort sind alle Marken und Produkte auf geführt, die Palmöl enthalten (können).

Als ich die Liste durchsehe, bin ich überrascht, in welchen Produkten überhaupt alles Palmöl drin steckt. Zum Beispiel in Ricola-Bonbons. Wtf? Auch meinen Deo-Anbieter finde ich wieder, obwohl ich auf der Packung keinen Hinweis auf Palmöl gefunden hatte. Allerdings kann sich Palmöl auch hinter chemischen Namen verbergen. Oder es ist ein ähnliches Produkt der gleichen Marke gemeint. Auch mein Creme-Anbieter steht auf der Liste. Und so ziemlich alle bekannten Waschmittelhersteller. Ich bin nun unsicher, was ich tun soll.

Zumindest Wäsche-Waschen kann ich unbesorgt – mein Waschmittel stand nicht auf der Liste. Es ist aus dem Biomarkt. Aber ich sehe zur Sicherheit trotzdem nochmal auf der Verpackungsrückseite nach… Mist, da steht „Bio-Pflanzenölseife“ drauf. Und nun? Das kann ja wieder alles heißen.

Tag 5:

Mir scheint, ich muss wohl doch noch ein wenig mehr recherchieren. Das ist mühsam und zeitintensiv. Und ich bin auch ein bisschen wütend auf die ungenauen Angaben.

Ich finde eine Seite, die alle Begriffe auflistet, hinter denen sich Palmöl verstecken kann:

  • Cetearyl Alcohol, Cetyl Alcohol, Cetyl Palmitate
  • Coconut Butter Equivalent (CBE), Coconut Butter Substitute (CBS)
  • Elaeis Guineensis
  • Emulsifiers E471
  • Fatty Alcohol Sulphates
  • Glyceryl Laurate, Glyceryl Stearate, Hydrated Palm Glycerides
  • Isopropyl
  • Octyl Palmitate (achten Sie auf alle palmitate-Endungen)
  • Palm Oil Kernal, Palm Olein, Palm Sterine
  • Palmate, Palmitate
  • Sodium Dodecyl Sulphate (auch SDS oder NaDS), Sodium Isostearoyl
  • Lactylaye
  • Sodium Laureth Sulphate, Sodium Lauryl Sulfoacetate SLSA (meist Kokosöl, kann jedoch auch mit Palmöl hergestellt werden – deshalb unsicher)
    Sodium Lauryl Sulphate (kann auch nur aus Rizinusöl hergestellt sein)
  • Steareth -2, Steareth -20, Stearic Acid
  • Vegetable Oil / Vegetable Fat (hoch gesättigtes Fett = Palmöl)

Quelle: http://living-lohas.blogspot.de/2012/07/palmolvermeidungsstrategien-teil-2.html

Anschließend suche ich mal wieder einen Bioladen auf. Diesmal gehe ich in einen anderen, der bekannt für seine große Kosmetikabteilung ist. Die ganze obere Etage ist voll mit Körperpflegeprodukten und Co. Dort will ich mich beraten lassen. Die Verkäuferin freut sich über meine Nachfrage nach palmölfreien Produkten und stellt mich sogleich vor das Regal mit Lavera und Weleda-Produkten. Ich werde skeptisch, schließlich war ja in meiner Weleda-Seife Palmfett drin.

Als ich ihr das sage, scheint sie irritiert und dreht eine Packung um. Dort scheint aber keine Angabe zu Palmöl drauf zu sein. Sie scheint recht zu haben – das Produkt in ihren Händen hat keinen Hinweis zu Palmfett aufgedruckt. Ich erzähle ihr aber von der Liste chemischer Stoffe und davon, dass auch hinter komplizierten Worten ein Stoff versteckt sein kann, der durch Palmöl gewonnen wurde. Das bezweifelt sie aber. Sie meint, nur wenn Palmate oder Palm Oil draufstünde, wäre auch welches drin. Wir einigen uns am Ende darauf, dass ich erstmal nix kaufe und zuhause nochmal nachschaue. Außerdem bittet sie mich, meine Liste beim nächsten Mal mitzubringen. Dann könne sie auch noch was lernen. Genau so werde ich es machen.

Tag 6:

Es ist Sonntag. Heute kann ich nur recherchieren, aber keine neuen Produkte kaufen. Überhaupt bin ich genervt davon, dass das Palmölfreie Leben mit dem Erwerb neuer Pordukte – also mit Konsum – einher geht. Na klar, ist es in diesem Falle sinnvoll. Aber meine anderen, palmölhaltigen Produkte werde ich ja deshalb nicht wegwerfen…

Immerhin bringt mich die Beschäftigung mit Palmöl dazu, mein eigenes Verhalten – auch das in Sachen Körperhygiene – kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Wasche ich eigentlich meine Wäsche zu häufig? Nutze ich dafür zu viel Waschmittel? Denn ich könnte ja deutlich weniger Palmöl (und andere, vor allem chemische Stoffe) verwenden, wenn ich da mehr drauf achten würde.

Außerdem frage ich mich, ob ich zu viele Körperpflegeprodukte besitze. Brauche ich drei verschiedene Deos, Seife, Duschbad, verschiedene Schampoos und Spülungen, Cremes und Body Lotions? Dabei bin ich ja ein Mensch, der komplett ohne Kosmetik (also Schminke und Co) auskommt. D.h. vermutlich konsumiere ich da schon weniger als der Durchschnitt. Und trotzdem. Ich frage mich auch, ob ich zu viel Seife benutze. Wie groß muss ein Klecks Duschbad auf der Hand eigentlich sein, damit der Körper sauber wird? Und wie oft muss man unter die Dusche springen? Was ist aus dem guten alten „Waschen am Waschbecken“ geworden? Ich merke, wie sich bestimmte Hygienevorstellungen meiner Zeit in meinen Kopf eingeschlichen haben und wie ich diese unhinterfragt übernommen habe.

Abends bin ich zum Essen bei Freundinnen eingeladen. Ich nutze die Chance und frage in die Runde, wieviel Duschgel sie beim Duschen verbrauchen. Die Angaben variieren zwischen „so groß wie ein 2-Euro-Stück“ und „1-Cent-Stück reicht völlig“. Klar wird, dass wir täglich unheimlich viel Chemie UND auch Palmöl den Abfluss herunter spülen, um uns frisch und sauber zu fühlen.

Tag 7:

Im Internet bin ich auf die Seite http://www.codecheck.info gestoßen. Dort kann ich jedes erdenkliche Produkt ansehen und nachvollziehen, welche Inhaltsstoffe enthalten sind und wie das von Öko-Test und anderen bewertet wurde. Ich erfahre, dass Lavera offenbar tatsächlich ohne Palmöl ist – zumindest deutet keines der enthaltenen Inhaltsstoffe drauf hin. Und hormonfrei ist es offenbar auch noch – etwas, worüber ich mir bislang gar keine Gedanken gemacht habe. Außerdem ist das „vegan“ Siegel drauf. Das ist ebenfalls was, womit ich mich bislang kaum beschäftigt habe. Aber das könnte sich jetzt ändern. Zumal ich beim recherchieren auch gemerkt habe, dass viele der Marken, die ich derzeit benutze offenbar noch Tierversuche durchführen. Und das will ich ja nun wirklich nicht. Mehrere gute Gründe also, mich für ein Naturkosmetikprodukt ohne Palmöl und Tierbestandteile, und ohne Tierleid erzeugt, zu entscheiden.

Außerdem habe ich mir vorgenommen, sparsamer mit meinem Konsum von Duschbad, Schampoo und Co zu sein. Ein 1-Cent-großer Klecks reicht ja offenbar. Warum dann mehr nehmen. Am Ende muss ich dann außerdem weniger oft Nachschub kaufen – und das ist am Ende auch gut für mich.

Zu guter Letzt habe ich mir auch vorgenommen, die Firmen anzuschreiben, bei denen ich mir nach wie vor nicht sicher bin, ob sich Palmöl hinter den kryptischen chemischen Bezeichnungen wie z.B. Glyceryl Stearate verbirgt. Dann hab ich Klarheit und im besten Falle habe ich als Verbraucherin das Signal gesendet, dass es von Interesse ist, ob irgendwo Palmöl drinsteckt oder nicht. Das rettet zwar niemanden, schadet aber auch erstmal überhaupt nichts. Und damit verabschiede ich mich – mein palmölfreies Abendessen wartet auf mich. Es gibt Hirse mit deutschen Biopilzen und regionalem Kohlrabi, angebraten mit Sonnenblumenöl. Klingt vielleicht nicht umwerfend, schmeckt aber sehr sehr gut.

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