Demokratie beginnt vor der eigenen Haustür! – So stellt sich Freddie Demokratie vor. Bei unserer Veranstaltung IntersActions: Demokratie haben wir von Maja Bogojević und Ed Greve vom Migrationsrat Berlin e.V. gelernt, dass Demokratie viele Bereiche wie Arbeit, Gesundheit, Sicherheit, Medien, Parlamente, Kunst und Kultur umfasst. Im Prinzip beginnt Demokratie dort, wo Menschen zusammenkommen und Entscheidungen treffen. Sei es, was es zum Abendessen geben soll oder wer als nächstes das Bad putzt.
Demokratie bedeutet auch auf die Straße zu gehen und Protest auszuüben oder in der Nachbarschaft mitbestimmen zu dürfen, wie diese gestaltet wird. Jeder Mensch sollte die Wahl haben in welcher Form sich mensch an Demokratie beteiligen möchte.
Leider stehen nicht alle Formen von Demokratie allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung. So setzt unsere repräsentative Demokratie Barrieren, die Menschen von demokratischer Teilhabe ausschließen, obwohl viele Entscheidungen diese höchstpersönlich betreffen. Dieses kann mensch sehr gut an den Wahlen beobachten.
Ausschluss von Wahlen
In Deutschland leben über 20 Millionen Menschen, die bei der letzten Bundestagswahl ihre Stimme nicht abgeben durften. Auch bei der nächsten Bundestagswahl 2021 werden wieder Millionen von Menschen, die hier in Deutschland Zuhause sind, nicht wählen können. In der Schule wird jungen Menschen spielerisch unser Wahlsystem beigebracht und so manche Klasse führt ein Planspiel zum Bundestag oder den Vereinten Nationen durch. Doch einige der jungen Menschen dürfen, wenn sie volljährig sind, nicht zur Wahlurne. Den jungen Menschen fehlt eine, im Sinne des Grundgesetztes, wichtige Grundvoraussetzung, um an Wahlen in Deutschland teilnehmen zu dürfen: die deutsche Staatsbürger*innenschaft. Für den Erwerb der deutschen Staatsbürger*innenschaft gibt es sehr hohe Barrieren, da bis auf wenige Ausnahmen immer die zweite Staatsbürger*innenschaft abgegeben werden muss. Damit werden zahlreiche migrantische Gruppen, die in Deutschland leben, diskriminiert und von der repräsentativen Demokratie ausgegrenzt.
Menschen mit Be_hinderungen können durch fehlende Ausstattung in den Wahllokalen wie z.B. fehlende Schablonen für Menschen mit Seh_behinderung, eine ausreichende Beschilderung oder eine fehlende Rampe, ausgeschlossen werden. Auf die Barrieren machte ein Wahllokal-Test von Aktion Mensch aufmerksam. Außerdem kann einem Menschen das Wahlrecht durch gerichtliche Anordnung abgesprochen werden.
Auch junge Menschen sind erheblich vom Ausschluss der Wahl betroffen, denn eine weitere Vorrausetzung für die Teilnahme an Wahlen ist die Volljährigkeit. In den letzten Jahren wurde die Forderung für eine Absenkung des Wahlalters immer stärker. In anderen europäischen Ländern wie Malta oder Österreich ist es schon längst möglich ab 16 Jahren zu wählen.
Repräsentation aller Perspektiven in der Politik
Im Bundestag mangelt es deutlich an Vielfalt vieler verschiedene Perspektiven, die sich in der Gesellschaft wiederfinden lassen. Die Perspektiven von Menschen mit Be_hinderung, Frauen, queeren Menschen, Schwarzen, People of Color und/oder Menschen mit Migrationshintergrund werden nicht ausreichend im Parlament durch die Abgeordnet*innen repräsentiert. Konkret beträgt der Bevölkerungsanteil von z.B. Menschen mit Migrationshintergrund 26 Prozent. Im Bundestag sitzen gerade mal 8,2 Prozent (58 von 709 Abgeordnet*innen) Personen mit Migrationshintergrund. Der Anteil müsste deutlich höher sein. Einen Migrationshintergrund haben Menschen, die mindestens einen Elternteil haben, der nach Deutschland migriert ist, oder Menschen, die nicht per Geburt die deutsche Staatsbürger*innenschaft bekommen haben. Warum der Begriff „Migrationshintergrund“ trotzdem problematisch ist erfährt ihr hier.
Dass z.B. von Rassismus betroffene Menschen nicht ausreichend berücksichtigt werden, zeigte jüngst der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus. In diesem Ausschuss befinden sich ausschließlich weiß-privilegierte Personen. Aber wie können Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus beschlossen werden, wenn keine einzige von Rassismus betroffene Person am Beschluss der einzelnen Maßnahmen beteiligt ist? Hier geht es nicht nur um Repräsentation, sondern auch um die Frage der Entscheidungsgewalt.
Menschen, die unterschiedliche Perspektiven repräsentieren, sollten bewusst in der Politik gefördert werden, um Barrieren und Machtstrukturen zu hinterfragen und abzubauen. Dazu gehört auch auf die Inhalte zu schauen, die eine Person vermittelt. Denn auch eine queere Person kann queerfeindliche Politik oder eine PoC-Person migrationsfeindliche Politik machen. Wichtig ist, dass es Solidarität mit der eigenen und anderen Communities gibt. Um das demokratische Miteinander zu stärken, brauchen wir auf allen politischen Ebenen Menschen, die die Zusammensetzung unserer gesamten Gesellschaft abbilden.
Demokratie und Klimagerechtigkeit
Das Pariser Klimaabkommen ist einer der wichtigsten demokratischen Beschlüsse in Bezug auf Klimagerechtigkeit des 21. Jahrhunderts. Trotzdem tun sich europäische Staaten, insbesondere Deutschland, sehr schwer das Klimaabkommen in politischen Entscheidungen umzusetzen. Sie begünstigen nach wie vor fossile Unternehmen, ignorieren den Klimawandel und planetare Grenzen und tun so, als ob es das Klimaabkommen nicht gegeben hätte.
Hierzulande zeigt sich immer wieder, z.B. gerade im Konflikt rund um den Dannenröder Wald, dass demokratische Kompromissschließungen und Klima- und Umweltschutz aneinandergeraten. Viele junge Menschen nutzen ihr demokratisches Recht zu Protestieren und Widerstand zu leisten für Klimagerechtigkeit und den Schutz der Natur. Damit stellen sie klassische demokratische Prozesse in Frage, die den Erhalt der Lebensgrundlage der Menschen auf der ganzen Welt, vor allem der Menschen im Globalen Süden und der jüngeren Generation, missachten.
Da ihr Ruf nach mehr demokratische Teilhabe größtenteils ignoriert wird, versuchen viele junge Menschen nun ihren Weg in die Politik. Das neue Jahr, in dem die Bundestagswahlen stattfinden und viele Wahlen in unterschiedlichen Bundesländern, wird zeigen, ob der Aktivismus auf der Straße oder im Wald sich mit dem klassischen Parlamentsbetrieb vereinbaren lässt. Es ist aber auch die große Chance klassische Machtstrukturen innerhalb der Politik in Frage zu stellen und eine Demokratie zu leben, die vielfältige Perspektiven zulässt und im Einklang mit unseren natürlichen Ressourcen Entscheidungen trifft.