Von Kira:
16.02.2018 – Tag 3
- Eine meiner Mitbewohnerinnen fragt mich, ob ich mir bewusst bin, dass ich Aufgaben, die ich mit dem Smartphone lösen könnte, auf andere übertrage. Ich bin aktuell nur eine Stunde über eine Kommunikationsapp erreichbar, die ja nicht jeder hat. Ich muss über meine Mitbewohnerinnen zu anderen kommunizieren – was natürlich belastend. Ist es anderen gegenüber fair, sich mittlerweile konventionellen Kommunikationswegen zu entziehen?
- Heute möchte ich duschen. Erschreckender Weise verbrauche ich dafür 10 Minuten warmes Wasser.
- Meine bisherigen Absprachen (im präsmartphone Alter) per SMS liefen immer so: Jemand sagt etwas und wenn es keinen Einwand dagegen gibt, wird nicht darauf geantwortet. Nicht-Antworten ist für mich also eine Zustimmung. Diese Abspracheform ermöglichte damals schon Eindämmung von SMS-Kosten. Natürlich ist diese Konvention meinem Partner nicht so geläufig – und auch zu schwammig. Er wünscht sich klare Aussagen und Antworten auf Fragen. Ich verstehe seinen Unmut und werde mein Kommunikationsverhalten überarbeiten. Ich hoffe, dass das Experiment gelingt.
Das Bild zeigt auf, wie lange das Smartphone an dem jeweiligen Tag genutzt wurde.
- Heute fahre ich zur Transformationsakademie nach Hannover. Ich habe mir vorab eigentlich überlegt, auf die Nutzung von Öffis weitestgehend zu verzichten. Die Entfernung über Öffis von Tür zu Tür meines Ziels brauche ich eine Stunde. In der S-Bahn zum Naturfreundehaus fällt mir ein, dass ich ja auch mit dem Rad nach Hannover hätte fahren können. Dies hätte jedoch deutlich länger als eine Stunde gebraucht und ich wäre vermutlich auch zu spät gekommen, da ich terminlich nicht eher losfahren konnte. Ich mache mir über mein durchgeplantes Leben Gedanken und es stimmt mich traurig, dass ich gefühlt immer weniger Zeit für verschiedenste Dinge habe. #Kapitalismus #Konsumismus. Das Dilemma zwischen gewohntem privilegierten Luxusgütern, meiner daraus erwachsenen Unmündigkeit und meiner Motivation, etwas zu ändern, trifft mich nicht zum ersten Mal.
Wie hätte ich denn ohne mein Smartphone mit Navigationsapp den Weg mit dem Rad von mir zum Naturfreundehaus gefunden? Ich hätte mir wohl vorher eine Karte auswendig lernen oder mit mir transportieren müssen. Dies wiederum hätte wieder mehr Zeit gekostet…
- Ich bin schon glücklich, dass ich ohne Orientierungssinn zum Naturfreundehaus kommen konnte, da ich die Strecke bereits von der JANUN-Deligiertenversammlung und Koordinationsrat im Januar kannte. Wie wäre ich sonst dahin gekommen? Auf dem Weg finde ich eine Tankstelle – dort hätte ich ja zur Not einfach fragen können. Man muss nur kreativ werden, oder?
- Im Naturfreundehaus gibt es natürlich auch warmes Essen, das irgendwie zubereitet wurde. Dies kann ich schlecht dokumentieren. Meine eigene Statistik über die Anzahl und Dauer der Nutzung meines Gasherdes verfälscht sich erneut. Da wir aber alle gemeinsam Essen, wurde dafür wahrscheinlich weniger Energie benötigt, als würde ich für mich alleine kochen.
- Die Transformationsakademie beschäftigt sich dieses Jahr mit dem Thema Klimagerechtigkeit. Energie ist also ein wichtiges Thema während des gesamten Wochenendes. Wir lernen gemeinsam über den (bereits schon lange nachgewiesenen (!)) anthropogenen (also menschgemachten) Klimawandel und erneuerbare Energien als notwendiges Lösungsmittel. Was mir jedoch fehlt, ist der Bezug zu Suffizienz. Wenn wir alle weniger verbrauchen würden, müsste man erneuerbare Energien gar nicht so viel weiter ausbauen und könnte aus Atom- sowie Kohleenergie aussteigen. Denn eins muss klar sein: Auch erneuerbare Energien fallen nicht vom Himmel. Sie verbrauchen in ihrer Produktion Ressourcen und sind nicht CO2 neutral. Ein weiteres oftmals vergessenes Problem ist auch die Wartung und Entsorgung dieses Materials, also z.B. die Frage: Was mache ich mit einem defekten, nicht mehr zu reparierenden Solarpanel?
17.02.18 – Tag 4
- Das Leben ohne Smartphone geht mir im Großen und Ganzen immer noch nicht auf den Keks. Allerdings fehlt mir meine Kamera – es gibt so vieles zu Lernen und ich hätte gerne einige schöne Fotos gemacht. Statt meiner im Smartphone integrierten Fotogalerie quillt mein Notizheft jetzt schon über. #Nachhaltige Informationsüberflutung? Gerne würde ich auch für das Bloggen zum Klimafasten mehr Bild-, als Textanteile präsentieren, damit meine Dokumentation zum Konsumgenuss wird. Ich hoffe, dass sich jemand trotzdem an meinen Texten erfreut.
- Harald Welzer beschreibt meine Smartphone-Abhängigkeit als Integration in eine „kommunikative Benutzeroberfläche“ (Welzer 2013: 85). Ich kann seine Darstellung mittlerweile sehr gut nachvollziehen.
- Vor zwei Tagen belächelte mich mein Partner darüber, dass ich mir die Anzahl meiner Toilettenspülungen Schließlich sei dies ja ein Grundbedürfnis und man könne es ja auch in seinem Energie-Sparwahn übertreiben… Jetzt schaffe ich es aber schon, nicht mehr ganz so oft auf Toilette zu gehen, obwohl ich sogar in Relation gesehen sehr viel trinke. Meine Blase scheint über sich hinausgewachsen zu sein – und ich spare jede Menge Wasser. Und natürlich sogar auch ein wenig Zeit 🙂 Im Sommer werde ich mir sehr dankbar sein – denn wenn man am See in der Sonne liegt oder während eines Festivals zur Lieblingsband zum Lieblingslied tanzt und singt, möchte man ja auch nicht alle 3 Minuten zum „stillen Örtchen“ düsen. Win-Win-Situation.
- Wir nutzen das OpenSpace, um über Möglichkeiten zu diskutieren, wie man aus „der eigenen Öko-Blase“ hinaus Menschen begeistern kann, jetzt für die Umwelt aktiv zu werden. Eine andere Gruppe trifft sich, um gemeinsam zu tanzen. Ich ergötze mich an den unterschiedlichen Tönen aus der Box – Musik hat mir langsam wirklich schon sehr gefehlt. Hoffentlich kann ich die nächsten Tage mich endlich mal wieder meiner Gitarre widmen – ich „lerne“ schon seit über einem Jahr sehr intensiv. Nicht. Ich kann immer noch sehr wenig, da ich mir zu wenig Zeit dafür nehme – und verlerne das Gelernte aufgrund zu geringer Übungszeit sehr schnell wieder. #Konsumismus
Quelle: Welzer, Harald (2013): Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand. 5. Auflage. Frankfurt am Main: Fischer.
18.02.18 – Tag 5
- Ich werde nachlässiger mit meiner Dokumentation des Energieverbrauchs, versuche aber, es locker zu sehen: Ich möchte mir ja einen ungefähren Überblick verschaffen und keine wissenschaftliche Studie über meine Toilettengänge zu Laborbedingungen durchführen. Es geht darum, sich seines Verbrauches bewusst zu werden und Lösungen zu finden.
- Heute fahre ich schon wieder mit der Bahn zurück. Ich ärgere mich immer noch darüber, dass ich es nicht mit dem Rad versucht habe. Nach einem wundervollen Wochenende voller Motivation und Inspiration bin ich gewillt, mehr für das Klima zu tun – finde mich aber wenige Stunden später in einem Auto wieder, um zum Handballspiel meines Partners zu kommen. Eine Bus- und Bahnanbindung gibt’s am sonntagabend leider nicht. #keineInfrastrukturfürdenArschderWelt – Das Auto ist zum Glück voll besetzt… aber dennoch bin ich wütend auf mich selbst. Ich werde die nächsten Tage strenger mit mir sein. Kein Auto, kein Bus, keine Bahn – keine Ausnahmen… oder? Wie komme ich am Freitag nach Hannover? Ich werde viel WLAN Zeit opfern, um mir zu überlegen, ob und wie ich das mit dem Rad schaffen könnte.
Musste nachsehen. Sind ungefähr 2 Stunden mit dem Rad – allerdings eine sehr autolastige Strecke. Meine Freundin, mit der ich zum Poetry Slam verabredet bin, lässt sich auf den Fahrrad-Versuch (bei akzeptabler Witterung) ein. Ich hoffe, dass es schneit/glatt wird, um eine Ausrede zu haben, nicht 60km in 2 Tagen für eine Abendveranstaltung fahren zu müssen. #MuskelkaterinAussicht #OrientierungslosdurchdieNacht